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2024-08-31

Arno Funke alias Dagobert – Der Kaufhauserpresser und sein Katz-und-Maus-Spiel mit Hamburg

In den 1990er Jahren, als Deutschland gerade erst die Wende und die Wiedervereinigung hinter sich hatte, beherrschte ein Mann die Schlagzeilen, der die Polizei über Jahre hinweg narrte und gleichzeitig einen seltsamen Kultstatus erlangte. Die Rede ist von Arno Funke, besser bekannt unter seinem Pseudonym „Dagobert“, nach der berühmten Comicfigur Dagobert Duck, dem geizigen und listigen Onkel von Donald Duck. Funke wurde zu einer Art Volksheld, obwohl er in Wahrheit ein Kaufhauserpresser war, der die deutschen Behörden vor eine der größten Herausforderungen in der Geschichte der Kriminalpolizei stellte.

Die frühen Jahre und der Aufstieg von “Dagobert”
Arno Funke wurde 1950 in Berlin geboren und wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Bevor er sich seiner kriminellen Karriere zuwandte, arbeitete er als Schilder- und Lichtreklamehersteller. In den späten 1980er Jahren geriet Funke jedoch in finanzielle Schwierigkeiten, was ihn dazu veranlasste, eine drastische Entscheidung zu treffen. Unter dem Pseudonym “Dagobert” – eine Anspielung auf den reichen Onkel Dagobert aus den Disney-Comics – begann er, Kaufhäuser zu erpressen, um sich aus seiner finanziellen Notlage zu befreien.
Seine Taten waren geprägt von akribischer Planung und technischer Raffinesse. Funke baute komplexe Sprengsätze, die er in Kaufhäusern platzierte, um Druck auf die Eigentümer auszuüben und Lösegeld zu fordern. Die Erpressungen begannen in Berlin, aber bald verlagerte sich seine Aufmerksamkeit auf andere Städte, darunter auch Hamburg.
Der Beginn seiner kriminellen Laufbahn lässt sich auf das Jahr 1988 datieren, als Funke sich entschloss, das renommierte Berliner Kaufhaus KaDeWe zu erpressen. Er forderte 500.000 D-Mark und drohte, das Kaufhaus in die Luft zu sprengen, sollte man seiner Forderung nicht nachkommen. Funke war nicht nur ein gewiefter Taktiker, sondern auch technisch versiert. Seine Erpressungsbriefe und die selbstgebauten Sprengsätze waren mit höchster Präzision hergestellt und hinterließen bei der Polizei einen bleibenden Eindruck.
Der erste Versuch einer Geldübergabe schlug jedoch fehl, ebenso wie die Folgenden. Funke hatte eine ausgeklügelte Methode entwickelt, bei der er die Polizei an der Nase herumführte. Er schickte sie von einem Ort zum anderen und baute dabei zahlreiche Sicherheitsmechanismen ein, um eine Verhaftung zu verhindern.

Die Erpressung von Karstadt Hamburg
Nach dem ersten Fehlschlag in Berlin entschloss sich Funke, seine Aktivitäten auszuweiten. Hamburg, als zweitgrößte Stadt Deutschlands und ein Zentrum des Handels, bot sich als perfektes Ziel an. Am 9. Oktober 1992 ging beim Kaufhaus Karstadt in Hamburg eine Bombendrohung ein. Arno Funke, der nun sicherer in seinen Fähigkeiten war, forderte eine Million D-Mark, um von seinem Vorhaben abzulassen. Er drohte damit, eine Bombe im Kaufhaus zu zünden, falls man die Polizei einschalten würde.
Was diese Erpressung so besonders machte, war nicht nur die Höhe des geforderten Lösegelds, sondern auch die aufwendigen Inszenierungen der Geldübergaben. Funke gab präzise Anweisungen, wie die Geldübergabe vonstattengehen sollte, und er stellte sicher, dass die Polizei keine Möglichkeit hatte, ihn zu fassen. Er nutzte die damalige Technik der Fernsteuerung, um Bomben zu zünden oder Geldübergaben zu kontrollieren. Einmal ließ er das Geld über ein kompliziertes System aus Seilzügen und selbstgebauten Mechanismen transportieren, was die Ermittler vor Rätsel stellte.

Die Höhepunkte seiner Erpressungen
Funke setzte seine Erpressungen fort und wurde immer dreister in seinen Forderungen und Vorgehensweisen. Die Polizei, die inzwischen eine Sonderkommission ins Leben gerufen hatte, war ihm dennoch nicht gewachsen. Trotz des Einsatzes von Hunderten Beamten, moderner Überwachungstechnik und der Hilfe von Sprengstoffexperten konnte man Funke nicht auf die Spur kommen.
Besonders spektakulär war eine Episode im April 1993, als Funke eine Bombe in einem Karstadt-Warenhaus in Hamburg deponierte. Dieses Mal drohte er mit einer Explosion, die erheblichen Schaden anrichten würde, sollte man seinen Forderungen nicht nachkommen. Die Bombe war tatsächlich so gebaut, dass sie großen Schaden hätte anrichten können, doch Funke entschärfte sie selbst, nachdem die Geldübergabe erneut misslang.
Das Katz-und-Maus-Spiel, das Funke mit den Behörden spielte, erreichte seinen Höhepunkt im Juni 1993, als er eine weitere Erpressung in Hamburg durchführte. Wieder forderte er eine Million D-Mark und plante eine Geldübergabe, die er detailliert durchdacht hatte. Diesmal ließ er das Geld über eine Schienenkonstruktion transportieren, die er selbst gebaut hatte. Die Polizei, die die Übergabe verfolgte, konnte ihm erneut nicht habhaft werden. Dies führte zu einer immensen Frustration bei den Ermittlern, die Funke fast schon als Phantom betrachteten.

Hamburg im Ausnahmezustand
Die Stadt Hamburg, die für ihre Sicherheit und Ordnung bekannt war, geriet durch Funkes Aktionen in den Ausnahmezustand. Die Behörden waren in höchster Alarmbereitschaft, da die Gefahr bestand, dass Funke seine Drohungen wahrmachen könnte. Insbesondere während der Weihnachtszeit 1993 war die Stimmung in der Stadt angespannt. Die Menschen mieden die Kaufhäuser, und die Geschäftsleute fürchteten um ihre Umsätze.
Funke verstand es meisterhaft, die Medien für sich zu nutzen. Die Berichterstattung über den „Dagobert“ war sensationell, und viele Hamburger entwickelten eine seltsame Faszination für den Erpresser. In der Öffentlichkeit kursierten Theorien über seine Identität, und es gab sogar eine gewisse Sympathie für den Mann, der es schaffte, die Polizei dermaßen zu narren. Doch die Realität war, dass Funke eine ernsthafte Bedrohung darstellte, und die Polizei setzte alles daran, ihn endlich zu fassen.
Der Wendepunkt: Die Verhaftung in Hamburg
Nach Jahren der Ungewissheit und etlichen gescheiterten Versuchen, Funke zu schnappen, kam es am 22. April 1994 in Hamburg zu einem entscheidenden Wendepunkt. Die Polizei hatte neue Technologien entwickelt und war besser vorbereitet als je zuvor. Funke plante eine weitere Geldübergabe, und die Behörden nutzten diese Gelegenheit, um ihn endgültig zu überführen.
Durch den Einsatz modernster Überwachungstechnik und eine präzise Planung gelang es der Polizei, Funke in eine Falle zu locken. In den frühen Morgenstunden wurde er in einem Hamburger Parkhaus gefasst, als er versuchte, das Lösegeld abzuholen. Die Verhaftung erfolgte ohne Zwischenfälle, und Funke zeigte sich erstaunlich kooperativ.

Das Ende des „Dagobert“-Mythos
Mit der Festnahme von Arno Funke endete eine der faszinierendsten Kriminalgeschichten Deutschlands. Der Prozess, der im Herbst 1994 stattfand, zog großes Medieninteresse auf sich. Funke wurde wegen mehrerer Fälle von Erpressung, schwerer Nötigung und der Herstellung von Sprengsätzen angeklagt. Er gestand die Taten, zeigte jedoch wenig Reue. Vielmehr beschrieb er seine Aktionen als eine Art „Spiel“, bei dem er die Herausforderung genoss, die Polizei immer wieder zu überlisten.
Am 21. Dezember 1994 wurde Arno Funke zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Während des Prozesses stellte sich heraus, dass Funke tatsächlich unter erheblichen finanziellen Schwierigkeiten litt, die ihn zu seinen Taten trieben. Dennoch war das Gericht der Ansicht, dass die Schwere seiner Vergehen eine harte Strafe erforderte.

Hamburgs Erleichterung und der bleibende Eindruck
Für Hamburg bedeutete die Verhaftung von Arno Funke das Ende einer Zeit der Angst und Ungewissheit. Die Stadt konnte aufatmen, und die Geschäfte kehrten zur Normalität zurück. Doch die Erpressungen hinterließen einen bleibenden Eindruck. Funke hatte es geschafft, eine der größten Polizeiapparate Deutschlands zu beschäftigen und zu frustrieren. Sein Name wurde zu einem Synonym für listige Kriminalität und Cleverness.
Obwohl seine Taten zweifellos kriminell waren, entwickelte sich um Arno Funke eine gewisse Mystik. Viele Menschen sahen in ihm weniger einen gefährlichen Verbrecher als vielmehr einen listigen Antihelden, der es verstand, das System auszutricksen. Der Vergleich mit der Comicfigur Dagobert Duck war dabei nicht nur eine Laune der Boulevardpresse, sondern spiegelte wider, wie sehr Funke es schaffte, die Realität und Fiktion miteinander zu vermischen.

Nach der Haft: Ein zweites Leben als Künstler
Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis im Jahr 2000 entschied sich Arno Funke, ein neues Leben zu beginnen. Er wandte sich wieder seiner alten Leidenschaft zu: der Kunst. Funke veröffentlichte mehrere Bücher, in denen er seine Erlebnisse schilderte, und arbeitete als Karikaturist. Seine Zeichnungen, die oft satirische Kommentare zur Gesellschaft und Politik darstellten, fanden in der Öffentlichkeit Anklang.
In Interviews betonte Funke immer wieder, dass er seine kriminelle Vergangenheit hinter sich gelassen habe und heute ein normales Leben führe

Admin - 17:38:09 @ Hamburgs Verbrechen | Kommentar hinzufügen